Frankfurt, Spirituelle Wanderungen
Die revolutionäre Kraft der Freundlichkeit

Ansichten wirbeln durcheinander. Gewohntes steht Kopf. Und was sonst nicht geht, geht gut. Das macht die revolutionäre Kraft der Freundlichkeit. Ihr geht am Nikolaustag 2025 in Frankfurt am Main eine Tour der Reihe GangART unter Leitung des Theologen und Schriftstellers Georg Magirius nach. 16 Pilgerinnen und Wanderer der ausgebuchten meditativen Wanderung nähern sich einem Heiligen, “der weit über das Christentum beliebt ist”, kündigen FAZ, FR und FNP vom 6. Dezember 2025 und auch das überregional ausgerichtete Portal Theology.de die Tour an: “Vermutlich weil Nikolaus sich von Großzügigkeit und einer leidenschaftlichen Liebe zum Leben mitreißen ließ.”

Selbst Schwarzenegger zieht den Kürzeren
In Frankfurt ist doch so viel Fassade, Glas, Asphalt: alles glatt gebügelt. So lautet eine verbreitete Ansicht. Wo will man da denn wandern? Und auch noch spirituell? Ein Trampelpfad führt über Baumwurzeln, die so dick sind, dass selbst der Bizeps von Arnold Schwarzenegger zu seinen maskulinen Hochzeiten den Kürzeren zöge. Nikolaus ist ein Heiliger, also sanftmütig, noch so eine Ansicht. Immer nur mild scheint er aber nicht gewesen zu sein. Auf dem Konzil von Nicäa ohrfeigte er einen Kollegen heftig. Was seinen Ruf als Brückenbauer und Mann des Ausgleichs allerdings noch förderte.





















Verspielter Wellengang
Stille in Frankfurt? Geht nicht, auch das ist eine gewohnte Ansicht. Klar, da sind Flugzeuge während des schweigend zurückgelegten Teils der Tour zu hören. Genauso aber Wasservögel, die der friedlich sanften Fläche des Jacobiweihers einen verspielten Wellengang bescheren. Am Königsbrünnchen zeigt sich: Stark eisenhaltiges Wasser inklusive Schwefelwasserstoff schmeckt nicht nach Glühwein, scheint aber bei Schlafproblemen zu helfen. Frankenkönig Ludwig III. soll hier nach Genuss des Wassers in einen komaähnlichen Schlaf gefallen sein. Und versöhnte sich am nächsten Tag mit seiner Frau.

Selbst Luther zieht den Kürzeren
Überhaupt nicht in Versöhnungslaune war Martin Luther. Heilige passten nicht in sein Konzept. Doch selbst der durchsetzungsstarke Reformator zog gegen die revolutionäre Freundlichkeit des Nikolaus den Kürzeren. Das Christkind bringt an Weihnachten Geschenke, das hat Luther ins Leben gerufen. Trotzdem lässt sich Nikolaus bis heute an seinem Tag nicht lumpen. Sogar in Luthers Haus blieb die Sitte des freigiebigen Nikolaus sehr wahrscheinlich bestehen.

Patron der Schiffer
Nikolaus hat Seefahrer dazu angestiftet, schon verkauftes Korn Hungernden zu geben, erzählt eine Legende. Die Schiffer brachen die Verträge. Und gingen – ein Wunder – trotzdem nicht leer aus, genauso ihre Auftraggeber. Dazu passt: Ruderer auf dem Main nahe der Nicolaikirche erweisen mit roten Mützen Nikolaus ihre Referenz. Schließlich ist er Patron der Schiffer, Seeleute und Bootsfahrer.

Gnädig mit der Gallenblase
Und ja, das gehört womöglich zu der auffälligsten Folge der Nikolaus-Revolution an diesem Tag: Weihnachten, Advent und Nikolaus – das alles sei doch heute längst schon nicht mehr richtig. Weil Kitsch und Kommerz den wahren Sinn vermasselten. Allein die Mützen! Völlig lächerlich! Nikolaus trug als Bischof eine Mitra! Warum haben die Ruderer keine Mitra auf dem Kopf? Der Ansicht eines korrekt zu feiernden Weihnachten hängen viele an, vielleicht sogar alle, mal weniger, mal mehr. Sie weist der Freude nach, wie oberflächlich sie doch sei. Und vergällt dabei meist die eigene. Doch Nikolaus scheint in der Lage zu sein, sebst sehr aktiven Gallenblasen eine gnadenreiche Pause zu gönnen.

Lebkuchen statt Galle

Das Ziel der Wanderung, die dem Heiligen gewidmete Nicolaikirche auf dem Römerberg, steht im Weihnachtsmarktgewühl. In der Wand ist eine Nikolausfigur eingelassen, Blickrichtung Römerberg. Nur spuckt Nikolaus keine Galle, holt noch nicht mal zu Ohrfeige aus. Stattdessen gilt all den Buden, Lebkuchen, Lichtern, Menschen, Maiskolben, Mandeln, dem Kinderkarussell und dem Weihnachtsbaum seine segnende Geste.
Reihe GangART

Die Tour “Die Revolution der Freundlichkeit” ist angeregt von Georg Magirius‘ Buch „Stilles Frankfurt – 13 Orte zum Staunen und Verweilen“, veröffentlicht im Echter Verlag, lektoriert von Thomas Häußner. Bei der Reihe GangART handelt es sich um spirituelle Tagestouren durch Frankfurt, Franken, Steigerwald, Haßberge, Schwarzwald, Odenwald und Taunus. Bei bislang 67 Gängen waren 1320 Pilgerinnen und Wanderer dabei. Die Reihe findet Resonanz etwa im BR-Rucksackradio, im Reiseblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Deutschlandfunk, in Publik Forum, der Main Post, in hr2-Kultur, Domradio Köln, Sonntagsblatt aus Bayern, im EFO-Magazin, Main Echo, der Frankfurter Neuen Presse oder Leipziger Zeitung. Rückblick auf frühere Touren sind hier. Aktuelle Termine sind immer hier zu finden.