Franken, Spirituelle Wanderungen
Treibjagd und neun Pilger

„Laut rufen, bevor der Schuss fällt!“, empfiehlt ein Waldrandbewohner: „Und die roten Schirme schwenken!“ Dann aber überdenkt er seine Überlebensempfehlung: „Rot kann das Wild aufstacheln.“ Eine Treibjagd mit Lebensgefahr – das signalisiert am Rand des Spessartortes Lohr ein Absperrband. Das wollen die spirituellen Wanderer der Reihe GangART im Herbst 2023 unter Leitung des Theologen und Schriftstellers Georg Magirius nicht leichtfertig unterwandern. Schließlich ist ihr Ziel der „Kraftort Quelle“. Es klingt nach Leben. Jetzt allerdings könnte ein treffsicheres Tour-Motto lauten: Treibjagd mit 9 Pilgern. Denn die Jagd beziehungsweise das weiträumig abgesperrte Waldgebiet hat die vorbereite Route erlegt. Es gilt neue Wege zu gehen.

Gefahrenfarbe Rot
Was gibt Orientierung? „Gehen Sie nach Gehör“, empfiehlt ein weiterer Ortskundiger. Tatsächlich hören die Pilgernden ihr erstes Etappenziel, ehe sie es sehen. Dann ist sichtbar: Weiß spielt gegen Rot. Rasch wird durchgezählt: Schülermannschaft Rot hat auf dem Sendelbacher Sportplatz nicht weniger Spieler als Schülermannschaft Weiß. Auch die Pilgergruppe mit ihren roten Schirmen zählt noch immer 9. Ein Kreuzweg führt sie aufwärts. Wie kommt man auf dem Weg mit den Marterstationen voran, von dem eine Stunde zuvor noch niemand ahnte, ihn zu gehen?

Ein Leuchten am Ort des Endes
Man bleibt stehen. Schauspielerin Petra Mathein reicht Birnen, die “leuchteten weit und breit”. Dabei ist der Zugang zum einst Früchte sprudelnden Baum verschlossen, heißt es in “Der Birnbaum” von Theodor Fontane. Doch Herr von Ribbek zu Ribbek ließ eine Birne zu sich in Grab legen. So ist am Ort des Endes ein neuer Baum gewachsen. Das letzte Wegstück zur Wallfahrtskirche Mariabuchen führt abwärts. Die Neue-Wege-Pilger gehen damt der hoch am Hang liegenden Kirche nicht etwa heftig schnaufend, sondern mit ruhigem Atem entgegen.

Randerscheinung
Wo aber genau ist der gesuchte Quellort der Kraft? Nicht am Hochaltar, sondern am Rand, an einem Seitenaltar. Es ist ein kleines, geschnitztes Gnadenbild, das Maria mit dem toten Jesus zeigt. Beiden sind die Lebenswege, die gemeinhin als gelungen gelten, versperrt. Die Hände des Betrauerten und der Trauernden berühren sich. Die offensichtliche Kraftlosigkeit wirkt ermutigend: An der Wand finden sich Zeichen des Danks.

Totes Wildschwein
Auf den Parkplatz der Pilgerherberge wird ein totes Wildschwein aufgefahren. Im Gasthaus aber geht es fleischlos zu. Die Zähne müssen nicht die geringste Arbeit verrichten, denn die Gemüsesuppe ist püriert. Trotzdem können nicht alle die gerade frisch gewonnenen Kräfte zügeln. Eine Pilgerin will die Suppe sogar freiwillig löffeln (!) statt kraftsparend aus dem Bierhumpen zu schlürfen. Die Pilgerhausregel sagt: nein. Eine andere greift schwungvoll an den Nebentisch, wo Papierservietten locken. Die Pilgerhausregel sagt: nein. Trotzdem fühlen sich die 9 zu Hause, befindet die Suppenhumpen servierende Pilgerhausregel-Aufstellerin. Denn die Gruppe zeige deutlich, dass sie sich nicht auf unbekannte Situationen einstelle, sondern sich wie daheim verhalte.
Der Dürstende erfrischt
Dabei bestehen die Pilger doch schon den ganzen Tag fremde Situationen, gehen um des Lebens willen neue Wege. Tatsächlich klingt der Buchenbach lebendig. Sein Sprudeln, Aufbrausen und Glucksen weist die Treibjagdumgeher bachabwärts in Richtung Steinbach. Im Bach spüren einige dem Element mit bloßen Füßen nach, das laut Pilgerleiter Magirius segensreich wirkt: “Der Dürstende erfrische dich. Die Tosende beruhige dich. Der Wispernde bekräftige dich. Gott, die strömende Quelle, trage und begleite dich.”

Die Reihe GangART

Die GangART-Tour durch den Spessartwald ist inspiriert vom Buch “Schritt für Schritt zum Horizont” und “Frankenfreude – 33 überraschend schöne Orte. GangART ist eine Reihe spiritueller Tagestouren durch Schwarzwald, Taunus, Frankfurt und Mainfranken. Sie findet Widerhall in Funk, Fernsehen und Zeitungen, etwa in der Herder-Zeitschrift “einfach leben“, in der Frankfurter Neuen Presse, im Sinnsender ERF, im BR, Main Echo, HR, FAZ, Der Sonntag (Sachsen), Publik-Forum und Deutschlandfunk. Rückblicke auf frühere Touren sind hier. Die Fotos der Pilgertreibjagd-Reportage stammen von Regina Giegerich, Petra Mathein und Georg Magirius, das Video von Petra Mathein.
Weitere Fotos der “Treibjagd mit 9 Pilgern”











