Biblisches

Wie man sich immer richtig verhält

Es lässt sich genau mit einem Satz sagen, wie man sich immer richtig verhält. Damit haben Ratgeber, die dafür zwei oder gar noch weitere Sätze benötigen, ausgedient. In dem Beitrag “Das gute Leben hat kein Ende” verrät Georg Magirius diesen Satz, veröffentlicht im Sonntagsgruß, einer Zeitschrift im Gütersloher Verlagshaus, vom 27. Oktober 2013. Die Redaktion hat Monika Hovell.

Der Beitrag “Wie man sich iimmer richtig verhält”

Fragen Sie sich gelegentlich, wie man sich richtig verhält und ein möglichst gutes Leben führt? Damit sind Sie nicht allein. Ich frage mich das immer wieder: Denn es ist faszinierend, wie Menschen einander ärgern. Viel läuft in der Welt schief, man verletzt andere, wird selbst verletzt. Dabei können kaum merkliche, aber zielgenau gesetzte Stiche vielleicht besonders aus der Ruhe bringen – oftmals mehr als offen angelegte Angriffe. Und dann blutet etwas im Innern, nirgendwo sichtbar, aber doch real. Ja, so ist das wohl: Menschen führen Kriege selbst dann, wenn offiziell Frieden herrscht. Kampfplätze findet man fast überall. Klingt das jetzt zu negativ? Vielleicht ist es einfach realistisch.

Das gute Leben in einem Satz

Auf alle Fälle ist die Frage nach dem guten Leben nicht gerade unbedeutend: Wie kann der Mensch denn Gutes tun? Es lässt sich prägnant sagen. Micha, ein Prophet, tat es:„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was de HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“

Schon fangen die Probleme an

Ein Satz, der kurz und einfach ist. Schon fangen die Probleme an. Was heißt denn das genau: Gottes Wort halten? Was ist überhaupt Gottes Wort? Ist das die Bibel? Die gesamte Bibel? Oder Teile daraus? Oder soll ich einen Katechismus zu Rate ziehen? Den von Luther? Aber es gibt doch auch andere Konfessionen! Und Micha war kein Lutheraner. Gibt es Gottes Wort womöglich auch außerhalb der Bibel? Als der Prophet sein Kurzwort aufschrieb, gab es die Bibel schließlich noch nicht. Ist vielleicht das Gewissen gemeint? Aber was ist nun wieder das Gewissen? Eine tiefe innere Stimme, die ich höre, wenn sonst alles still ist?

Bevor das Fragen orgiastische Züge annimmt, schreiten wir zur nächsten Forderung, die Micha gibt: Gut sei es, Liebe zu üben. Das klingt attraktiv, weil ich mich freue: Liebe lässt sich einüben! Vielleicht ja in der Volkshochschule – so wie man Englisch-Vokabeln übt oder ein Diktat oder das Gedicht, das man beim nächsten Weinfest zum Besten gibt. Aber vermutlich ist es anders gemeint, weil es sich um eine eher alte Bibelsprache handelt, gemeint ist wohl: Es gilt, Liebe auszuüben, sie also zu tun. Auf den Punkt gebracht ist das Verstehen aber auch so noch nicht. denn allein dieses eine Wort Liebe oder was man damit verbindet hat zu einer unvorstellbar großen Masse an Groschenromanen geführt. Das Regalfach, in dem man sie aneinanderreihen würde, könnte die Welt gewiss mehrfach umrunden.

Zufrieden die Rosinenschecke genießen

Was hat Micha noch an gutem Rat parat? Demütig vor Gott sein. Ja, das will ich! Ganz klar. Ich hätte überhaupt nicht die Kraft, diesem rätselhaften Wesen Paroli zu bieten. Er ist stärker, größer, geheimnisvoller als ich, unerklärbar lebendig, nie gesehen, aber näher als all das Sichtbare, das in meiner Nähe ist, glaube ich. Da will ich gern demütig sein. Und ruhig und zufrieden die Rosinenschnecke genießen, die ich vorhin beim Bäcker erobert habe. Aber! Demut will ich deswegen nicht mit Bravheit verwechselt wissen. Diesen Einspruch muss ich loswerden, so viel Mut habe ich dem Höchsten gegenüber dann doch. Womit die Sicherheit in Bezug auf das Verständnis von Demut auch schon wieder an Eindeutigkeit verloren hat.

Das waren nun ganz schön viele Sätze, mit denen der Autor auf diese eigentlich doch ganz einfachen Satz reagiert hat, denken Sie womöglich jetzt. Woran liegt das nur? Antwort: Ich verstehe diesen Satz in seiner Einfachheit und Tiefe nicht ganz. Auch wenn ich ihn schön finde. Viel schöner als jene Sätze, die ich sofort verstehe.

Man ist nicht sicher, aber aufmerksam

Vermutlich ist letzten Endes auch das Leben nicht immer ganz einfach, selbst wenn man es einfach haben will. Deswegen hat man seit Niederschrift dieses knappen Satzes auch nicht aufgehört zu überlegen, was das Gute sei. Dieses Überlegen, was gut sei, geschah dabei selten allein. Oft wird man miteinander gesprochen, überlegt und auch den Gedanken freien Lauf gelassen haben: Unverkrampft ging das, weil man zum Beispiel nicht fürchtete, damit ein von wem auch immer angesagtes Zeitmaß fürs Denken zu überschreiten. Und all jene, die sprachen, waren welche, die wiederum auch hörten. Sie hörten zu. Man war sich nämlich nicht sicher, dafür aber aufmerksam. Und niemand wird auf diesen Satz des Micha so verwiesen haben, dass damit denn nun gefälligst längst schon alles gesagt sei. Nein, sondern weil Sätze wie diese gesagt waren, blieb man nicht stehen, sondern überlegte immer weiter. Der Satz war ein Pate, der die Menschen nicht verstummen ließ. Denn offenbar ist eben doch noch nicht alles gesagt, auch wenn dem Propheten Micha zufolge dem Menschen schon längst gesagt war, was das Gute sei.

Ein Satz bot nicht die Lösung für alle Zeiten, sonst hätte man nie mehr reden, schreiben, überlegen müssen. Und so wüssten auch Sie längst alles. Und auch diese Zeilen wären überflüssig. Aber nein, die Redaktion der Zeitschrift, die Sie in Händen halten oder auf dem Bildschirm vor Augen haben, hat mir den Auftrag gegeben, genau zu diesem Satz etwas zu schreiben, obwohl dieser doch genau davon handelt, dass alles gesagt sei.

Wie man sich immer richtig verhält? Morgen wird weitergedacht

Ich stoppe an dieser Stelle. Es führt nicht weiter, wie man so sagt. Obwohl gerade dieses ständige Nicht-enden-Können das Gute weiterführt, weil man ihm damit nämlich auf der Spur bleiben will. Und nicht ganz sicher ist, ob man das Gute denn nun wirklich ergriffen hat. Felsenfest sicher sein, was das Gute ist, ist dagegen gefährlich, glaube ich. Menschen aus Fels machen mir Angst. Und deswegen ist mir Micha sympathisch, weil er das Gute nämlich so sagt, dass man sich dessen offenbar niemals sicher sein kann. Ich glaube allerdings: Liebe üben, Gottes Wort halten, demütig sein vor Gott, das kann bedeuten: Sich in einen Anderen hineinversetzen. Man darf überlegen, wie es dem anderen gehen könnte. Klingt einfach, gehört aber vielleicht zum Schwersten und Schönsten an all dem Guten, das im Leben möglich ist. Ist damit der Weisheitssatz des Micha geknackt? Morgen wird weitergedacht.