Biblisches, Religion und Poesie
Engel im Aufwind

Mag in Westeuropa das Interesse am christlichen Glauben rapide schwinden, scheint die Bedeutung der in der Bibel als Boten Gottes bezeichneten Wesen keinesfalls im Sinkflug zu sein. Stattdessen gilt: Engel im Aufwind. Und mit ihnen die menschliche Sehnsucht nach Leichtigkeit. Dabei schrieb der einflussreiche Theologe Rudolf Bultmann 1941:
Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.
Rudolf Bultmann, Neues Testament und Mythologie
“Existenzial interpretiert” contra “Leichtigkeit”
Bultmann wollte die mythischen Vorstellungen des Neuen Testaments interpretieren und somit dessen Botschaft dem Menschen heute zugänglich machen. Das geschah dank seiner existenzialen Interpretation. Was passiert, wenn man nach diesem Begriff einen Menschen auf der Straße fragt? Falls dieser ansprechbar und nicht gerade dank elektrischen Lichts in ein in der Hand liegendes Kästchen guckt, dürfte er ratlos bis verwundert auf diesen bewjsst wunderkramfreien Begriff reagieren. Schon weniger verwundert wird er beim Wunderwort Engel sein. Vielleicht sogar erfreut, weil er gerade an etwas oder jemanden denkt, der ihm das Gefühl gibt im Aufwind zu sein.

Angeweht von Freude
Nun geht Georg Magirius in den Gedanken zum Tag vom 10. Mai 2025 im Bayerischen Rundfunk noch viele Hundert Jahre weiter zurück, also nicht zu Bultmann, auch nicht in das von ihm ins Auge gefasste Neue Testament. Stattdessen wagt er, angeweht von der Freude am Aufwind, noch einige Seiten weiter ins Alte Testament zurückzublättern. Und fragt:
Warum können einen gute Wünsche tief berühren? Bei mir geschieht es, weil mich die Macht der Bilder anrührt. So heißt es in den biblischen Psalmen: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßes
Georg Magirius, Gedanken zum Tag im BR
Wunschvoll glücklich
Theologe Magirius, der unter anderem an Bultmanns jahrzehntelanger Lehrstätte Marburg studiert hat, räumt ein: Als modernes Wesen müsste er immun gegenüber Engeln und vielen anderen märchenhaften Vorstellungen sein, die oft als kitschig verschrien seien.
So schritte ich mit nichts anderem als Vernunft durchs Leben und wäre wunschlos unglücklich. Aber nein, lieber zähle ich mich zu den Glücklichen. Und hänge an Bildern wie diesem: Dass ein Mensch auf Händen getragen wird. Das kann einer Braut geschehen. Am Hochzeitstag wird sie vom Bräutigam über die Türschwelle getragen. Aber ein ganzes Leben wird er sie nicht tragen können. Er ist nur ein Mensch und hat im Geheimen womöglich ebenfalls den Wunsch, getragen zu werden.
Georg Magirius im Bayerischen Rundfunk
Engel und der kleine Zeh
Da seien doch Worte der Bibel tröstlich, in der das Heer der himmlischen Heerscharen einmal mit Tausend mal Tausend beziffert worden ist.
Da wird schon ein Engel aufzutreiben sein, der trägt. Besonders schön: Der Wunsch vergisst das Winzige nicht. Der Fuß soll nicht an einen Stein stoßen. Wer schon einmal mit dem Zeh gegen einen Stein gestoßen ist, wird darüber nicht lachen, sondern sich freuen. Dem Herr des Himmels mitsamt seinem Heer ist kein Zeh zu unbedeutend, als dass er ihn nicht sicher tragen wollte.
Gute Wünsche

Die Gedanken zum Tag sind angeregt vom Buch „Gute Wünsche aus der Bibel“ von Georg Magirius, lektoriert von Dr. Dietrich Voorgang. Die Redaktion an den Gedanken zum Tag hat Sabine Winter, das Produktionsmanagment liegt bei Ingrid Schillinger. Das Manuskript zur Sendung ist hier. Die Fotos des Blogbeitrags stammen von Christine Sponchia und Kerstin Riemer (Pixabay).