Neues Leben

Spiritualität für freie Geister

Lorenz Marti in Bern. Ihm ist an einer Spirituatlität für freie Geister gelegen.

Die Religion, die über Jahrhunderte einen Rahmen in den hiesigen Breitengraden gab, droht zu zerbröseln. Den Traditionsabbruch bedauern viele. Er macht Angst. Lorenz Marti sieht es anders: „Es bricht nicht nur etwas weg, es bricht auch etwas auf.“ Die Zeichen eines leisen Aufbrechens leiten ihn durch sein neues Buch „Türen auf!“ Es geht ihm also um eine Spiritualität für freie Geister.

Spuren des Unbedingten

Darin schreibt er, wie öde eine ganz allgemeine Beschreibung von Sinn und Glaube seien. Hinreißend dagegen findet er, wenn Menschen persönlich und konstruktiv von ihrem Hoffen erzählen: dass es in unserer bedingten Welt noch etwas Unbedingtes gebe. Und davon, wie wir das „Leiden, das das Leben unwiederbringlich mit sich bringt, nicht unbedacht vergrößern, sondern wo immer möglich lindern.“ Das sei eine Religiosität nicht in Form einer Anordnung, sondern human. Sie lasse sich in allen Religionen entdecken – genauso aber auch jene Religiosität, die sich als Vorgabe und bloße Überlieferung verstehe.

Schweigend von Gott reden

Marti betören an einer Spiritualität für freie Geister die Leerstellen, „die Lücke zwischen der Frage und der Antwort“, die er für den eigentlichen Ort der Erkenntnis hält. Auch von der Idee eines großen, modernen und unterdessen auch schon wieder fast vergessenen Theologen ist er angetan, nämlich 100 Jahre lang das abgenutzte Wort Gott nicht mehr zu verwenden. Um kurz darauf doch von seiner Hingabe für den 23. Psalm zu erzählen, in der von Gott als Herrn und Hirten die Rede ist.

Auf einem Weg, der nicht vorgegeben ist

Auch solche Widersprüche gehören zu einer Spiritualität, in der nicht alles logisch, in Einklang und fundamental festgefügt sein muss, die also nicht in Gebäuden gehalten wird, abgeschlossen wie in Vitrinen. Das vielleicht Erstaunlichste und Schönste an dem Buch sind Sätze, auf die seine kurzen Betrachtungen eindrücklich zuzulaufen scheinen. Und doch wirken diese wiederum wie nebenbei gesagt, ganz leicht – zum Beispiel: „Gelegentlich hilft ein Fehltritt, erst richtig Tritt zu fassen.“ Diese geprägten und doch tastenden Sätze haben die Kraft, sich in einem festzusetzen, ohne einen sitzen zu lassen. Sie ermutigen zum Aufbruch. Und Luft, ganz viel Luft wird sein auf einem Weg, der jetzt nicht mehr vorgegeben ist.

Lorenz Marti hat das Buch “Türen auf! Eine Spiritualität für freie Geister” im Herder Verlag veröffentlicht.