Biblisches, Religion und Poesie

Die spirituelle Botschaft des Sommers

Das Nichtstun komplettiert das Leben - Foto (c) Georg Magirius

Erst das Innehalten ist die Vollendung aller Arbeit. Das sagt jemand, der gewiss nicht wenig tätig ist. Nur will Theologe Egbert Ballhorn den gleich schon zu Beginn auffällig am Pausemachen interessierten Charakter der Bibel nicht übersehen, sagt der Vorsitzende des Katholischen Bibelwerks im Hessischen Rundfunk am 22. Juni 2025 in hr2-kultur der Sendung „Die Unterbrechung ist die Vollendung“. Der Beitrag über die spirituelle Botschaft des Sommers von Georg Magirius ist auf der Kulturwelle hr2 von 11.30 bis 12.00 Uhr in der Reihe Camino zu hören. Ruth Geiersberger, 2023 mit dem Münchner Theaterpreis ausgezeichnet, spricht die Sendung. Die Redaktion hat Dr. Lothar Bauerochse. Nach Ausstrahlung ist die Sendung sechs Monate als Podcast hörbar.

Statt Dramen lockt die Langeweile

Ruth Geiersberger - Foto von Udo Schindler
Ruth Geierberger – Foto von Udo Schindler

Weshalb den Sommer überhaupt mit Spiritualität in Verbindung bringen? Schließlich liegt keines der großen christlichen Feste im Sommer. Der Kampf um Leben und Tod wird an Ostern im Frühling ausgefochten. Das Stürmen des Heiligen Geistes feiert man am Frühlingsende. Und mit dem Winterdunkel im Advent wächst die Erwartung, dass das neue Leben die Nacht durchbricht. Wie unspektakulär dagegen der Sommer. Gerade dessen Gleichmut aber schärft den Sinn für eine Spiritualität des Vertrauens, behauptet die Sendung. Die Hektik nimmt ab, die Gelassenheit zu. Zu erfahren sind Momente von Muße, Luft, Licht und Langsamkeit. Und statt Dramen lockt die Langeweile.

Doppelbödiger Sommer

Christoph Schröder - Foto (c) Georg Magirius

Naivität sollte man der spirituellen Kraft des Sommers aber nicht unterstellen. Das zeigt sich an der Darstellung des Sommers in der Literatur, was raffiniert und doppelbödig geschieht, sagt Literaturkritiker Christoph Schröder. Aber auch das Symbol des Wassers, wie es die biblischen Psalmen bezeugen, zeigt die Gefährdung des Vertrauens. An Sonnentagen erfrischt das Wasser, stimmt sanft und entfaltet beim Schwimmen eine unnachahmlich tragende Kraft. Doch jederzeit kann es Leben auch vernichten. Wer der Leichtigkeit des Sommers traut, ist also kein Leichtfuß. Aber er leistet Widerstand gegen die Kräfte der Zerstörung. Und befindet sich manches Mal im Zustand eines Friedens, der die Bibel eröffnende Schöpfungserzählung erinnert, sagt Bibelwissenschaftler Egbert Ballhorn. Denn das Ziel der Schöpfungserzählung ist die Unterbrechung. Die Vollendung also ist das Nichtstun.

Das Ziel von Anfang an: Pausieren

Egbert Ballhorn - Foto (c) Georg Magirius

Es ist kein Zufall, dass der fundamentale Text der Bibel, der Anfangstext in Genesis 1, diesen Rhythmus zugrundelegt: sechs Tage Arbeit und der siebte Tag ist Ruhetag. Und wichtig ist mir die Übersetzung. Denn wenn ich höre: Am siebten Tag, da ruhte Gott, da habe ich sofort die Assoziation, das hat etwas mit Müdesein zu tun, mit Ausruhen. Aber das ist vom Hebräischen nicht angedacht. Sondern das hebräische Wort für Ruhen heißt: Schabbat, also das jüdische Wort Sabbat. Und das würde ich überhaupt nicht mit Ruhen übersetzen, sondern mit – Pausieren, mit Unterbrechen. Und meine Übersetzung eben ist: Am siebten Tag hielt Gott inne. Dann habe ich eine Idee, was dieser siebte Tag bedeutet: Nämlich sechs Tage Arbeit, da ist das hebräische Worte Melachah, Maloche, körperliche Arbeit. Wir leben in Rhythmen. Und der Rhythmus heißt: Wir sind einer Struktur von Erwerb unterworfen. Das müssen wir machen, dem können wir uns nicht entziehen. Und das ist anstrengend und nicht immer nur erfüllend. Und am siebten Tag aber sind wir rausgenommen aus diesem Rhythmus der Zeit. Die Idee ist also eine Musterunterbrechung. Und Gott macht uns das vor, um uns zu zeigen, wie wir leben können. Und dass das ein Stück Lebensqualität gibt und ein Stück Erlösung ist. Die Vollendung besteht im Nichtstun.

Egbert Ballhorn im Hessischen Rundfunk in der Sendereihe Camino hören