Religion und Poesie

Wer schwach ist, der ist stark

Friedrich Karl Barth in Bad Wildungen in seinem Garten. Seine Texte zeigen:  Wer schwach ist, der ist stark. Foto von Georg Magirius

Er ist ein Poet, dessen Sprache den frappierenden Unterschied zwischen Banalität und Einfachheit erfahren lässt. Von Friedrich Karl Barth, der am 7. Februar 2018 seinen 80. Geburtstag feiert, stammen Verse, die ganz anders klingen als der – so sagte er das selbst einmal – theologische “Phrasendrusch”, den er als angehender Pfarrer hörte. Wohl deshalb wird er zuweilen als “Meister der Kirchenmusik” in eine Reihe mit Johann Sebastian Bach, Martin Luther und Paul Gerhardt gestellt. Die von ihm gemachten Verse feierten ihre Premiere oft auf Kirchentagen, wo sie von vielen Tausenden gesungen wurden. Heute sind sie in das Gedächtnis unzähliger Menschen eingegangen – und in Liederbücher wie das hochoffizielle Evangelische Gesangbuch oder das Gotteslob. Zu seinen bekanntesten Texten gehören „Komm, bau ein Haus“, „Selig seid ihr“ „Brich mit dem Hungrigen dein Brot“ oder das wohl meist ­ge­sungene deutschsprachige Tauflied „Kind, du bist uns anvertraut“.

Treudoof und glaubensselig?

Allerdings: Kirchentagsgesänge, ja das kirchliche Leben überhaupt, vor allem wenn es viele begeistert, stehen unter Generalverdacht: Sich besonders kritisch und aufgeklärt fühlende Geister meinen dann sofort zu wissen, wie lachhaft und dümmlich das doch alles sei. Es verneble die Sinne und wirke auf eine treudoofe Weise glaubensselig:lebensfremd.

Der quälende Abstieg zum treffenden Wort

Tatsächlich sind Barths Verse einfach, klingen manchmal wie ein Litanei, wie Kinderverse oder Abzählreime. Doch immer ist da ein Widerhaken, der zum Denken reizt. Sie sind merkwürdig und prägen sich rasch ein. Seine Poesie ist eingängig, ohne banal zu sein. Leicht klingt sie, der Weg zu ihr war schwer. „Es ist ein Absteigen in Schichten deiner selbst, über die du nicht verfügen kannst“, hat Barth einmal im Hessischen Rundfunk gesagt. „Ein Wissen, das du nicht einfach abrufen kannst, sondern um das du dich quälen musst. Und wenn die Qual am schlimmsten ist, dann irgendwann ist das Wort da, ist der Satz da.“

Stammelnd und stark

Friedrich Karl Barth in seinem Garten sitzend. Foto von Georg Magirius

Die Einfachheit, zu der Barth vorgedrungen ist, verharmlost die Unergründlichkeit des Lebens nicht. Diese war schließlich der Ausgangspunkt seiner Suche, für das eigentlich Unsagbare lösende Worte zu finden. Kurz nach dem Studium war sein bester Freund gestorben. Der Tod hinterließ in der Seele des angehenden Pfarrers eine tiefe Spur. Mit diesem Lebensriss sei er bis heute nicht fertig geworden. Doch habe er ihn auch eine eigentümliche Stärke erfahren lassen, die sich oftmals in nichts anderem als Stammeln zeige: „Wenn ich schwach bin, bin ich stark. Nicht wenn ich den starken Max markiere oder mit sprachlich antrainierter Eloquenz über die Dinge wegrede.“

Aus den Randgebieten des Lebens

Worin also besteht die Einfachheit der Verse Barths? Sie klingen nicht so, als ob sie die Fragezeichen des Lebens eleminieren wollten. Sie lassen Tränen zu, mit denen man sich an die Seite derer stellen kann, die vor Heulen selbst nicht wissen, was sie tun sollen. Doch dieser Mut, dem Leben in seiner ganzen Größe Klang zu geben, dürfte der Grund für die ausgelassene Heiterkeit sein, mit der seine Lieder bis heute gesungen werden. Sie stammen aus den Randgebieten des Lebens.

Friedrich Karl Barth im Hörfunk

Ein halbstündiges Porträt im Hessischen Rundfunk – Regie: Annette Neupert – als Manuskript lesen hier. Ein kurzes Porträt mit von Peter Janssens vertonten Versen in Deutschlandfunk Kultur hören:

Friedrich Karl Barth (Deutschlandfunk Kultur)