Franken

Würzburg zu Fuß

Cover des Buches "Würzburg zu Fuß"

Das Erkunden einer Stadt oder Landschaft mit Füßen wird immer beliebter. Jedenfalls nimmt die Zahl der Stadtführer und Wanderbücher enorm zu. Fast unmöglich scheint es da, sich überhaupt noch auf neue Weise einem Ort anzunähern. Doch genau das gelingt Jochachim Fildhaut mit seinem Stadtführer „Würzburg zu Fuß“, nämlich etwas Unverwechselbares. Das zeigt sich bereits an den Fotounterschriften. Oft sind Bildern in Stadtführern Worte beigegeben wie „Das Rathaus“. Auf dem Foto sieht man dann? Das Rathaus. „Vom Hügel X hat man eine schöne Aussicht“ ist auch eine typische Formulierung. Oder: „Im Park ist es grün“. Wer solchen Platzfüllern entkommen will, ist über jede Diät erleichtert. Also darüber, dass manche Erkundungsbücher auf Bildunterschriften verzichten.

Auch ein Heizkraftwerk ist wahr

Jochachim Fildhaut setzt seinen Stadtführer aber weder auf Diät noch verdoppelt er mit Worten die Bilder. Stattdessen hat er – der Superlativ sei bis zur Widerlegung gestattet – den weltweit ersten Reiseführer verfasst, der die Bildunterschrift in eine Form des künstlerischen Ausdrucks transformiert. Seine Bildworte jedenfalls führen weit über Fließtext und Foto hinaus. „Das Heizkraftwerk ist wie fast jedes Wahrzeichen fast überall sichtbar“, heißt es unter einem Panoramablick auf Würzburg. Dank solcher Ironie, die eine heitere Färbung hat, ist der Autor frei. Bei seinen Streifzügen zu den – wie es im Untertitel heißt – “schönsten Sehenswürdigkeiten” Würzburgs muss er nicht krampfhaft an Heutigem, Technischem und für manche damit Unschönem vorbeifotografieren. Das gibt dem Reiseführer etwas anziehend Gelassenes.

Rollendes Verkostungsbiwak

Außerdem kann eine von Fildhaut in die Bildunterschrift platzierte Wortschöpfung einer an sich schon erfrischend wirkenden Szenerie zusätzlich Geschmack verleihen. Sie erhält dadurch sogar das Flair einer Expedition. Beispiel: Ein Foto zeigt Wanderer oberhalb von Würzburg, die Essbares in der Hand halten. Auch ein Stehtisch und die geöffnete Heckklappe eines Autos sind sichtbar. Der Bildkommentar: „Weinbergwanderung mit rollendem Verkostungsbiwak“.

Würzburg zu Fuß: Schule des Sehens

Joachim Fildhaut - Verfasser des Buches "Würzburg zu Fuß"

Der Stadtführer “Würzburg zu Fuß” ist eine Schule des Sehens. Was manchen gewöhnlich erscheint, wird dank Lehrer Fildhaut aus der Gewohnheit befreit. Nicht nur der Blick auf die Sehenswürdigkeiten am Weg, sondern schon das bloße Gehen auf diesem erhält etwas Extravagantes. Fildhaut gelingt es damit, nicht nur die Bildunterschrift, sondern auch der Wegbeschreibung etwas Poetisches zu verleihen. Wegen solchen Wortvergnügens verläuft man sich nicht – im Gegenteil! Der Weg tritt anschaulicher hervor, präzise lässt das Buch die Schritte setzen. Aber es liefert sich eben nicht der Diktatur der GPS-Daten aus, die jedem Gehen etwas Maschinenhaftes geben.

Die Anmut des Sonderbaren

Stattdessen erhalten die Weghinweise etwas Schwebendes, was bei den teilweise zu Wanderungen mutierenden Spaziergängen schon mal kein Nachteil ist. Die Beschreibungen werden außerdem über die Information hinaus transparent für das, was das Gehen auch sein kann, nämlich ein Bild fürs Leben: „Es geht nicht alles den geraden Weg, das gilt für die Domerschulstraße in hohem Maß“, heißt es etwa. Denn diese Straße knicke heftig ab, ohne dabei ihren Namen abzulegen. Bild des Lebens – solch ein Schlag-Wort allerdings taucht nie auf, sodass die Orientierungsangaben auch nicht erschlagen. Sie geben dem, was nicht glatt verläuft, stattdessen die Anmut des Sonderbaren. Ihr geht man gern nach: „Unsere Routenführung muss angesichts der verwachsenen Zustände etwas improvisieren: Im Prinzip abwärts, dann landet man unweigerlich an einem Ausgang auf die Frankfurter Straße.“

Wallfahrtskapelle mit Baukran

So nähert sich der studierte Germanist und Philosoph mit Sympathie der Stadt, in der er seit Jahrzehnten lebt. Aber merkwürdig: diese Sympathie tritt hervor, gerade weil der Journalist und Autor immer dann, wenn eine Idyllisierung droht, mit Witz und Gestaltungslust auf Abstand geht. So kommentiert er die Information über die Bauzeit des berühmten Käppele am Nikolausberg zum Beispiel mit einem Foto, das tatsächlich die Balthasar-Neumann-Kapelle zeigt. Im Hintergrund. Im Vordergrund aber ist ein moderner Baukran zu sehen.

Würzburg zu Fuß: Acht Choreographien

Der Autor erdet so Künstlerisches und Erhabenes. Und im Alltäglichen entdeckt er eine Eleganz, mit der selbst Balletttänzerinnen nach vielen Jahren Training kaum konkurrieren können. Da sei zum Beispiel die mittägliche Ausgabe der „Geknickten“, einer sorgsam gewürzten Bratwurst durch Verkäuferinnen, die die lange, dünne Wurst geknickt ins Schnittbrötchen legen: „Der Bewegungsablauf zwischen Pfanne und Kundenhand hat etwas Choreographisches an sich, sehr schnell, fließend, auf keinen Fall hektisch.“ Mit fast genau diesen Worten lässt sich treffend ein Fazit für das Buch „Würzburg zu Fuß“ ziehen: Der von Joachim Fildhaut entworfene Bewegungsablauf zwischen Anfang und Ende einer jeden der acht vorgestellten Routen hat etwas Choreographisches an sich, niemals lahmend, fließend, auf keinen Fall hektisch.

Informationen zum Buch “Würzburg zu Fuß”

Joachim Fildhaut, Würzburg zu Fuß – Die schönsten Sehenswürdigkeiten zu Fuß entdecken, Societäts-Verlag, 12,80 Euro, ISBN 978-3-95542-015-4. Weitere Informationen sind hier.