Stille

Hindernis mit Aussicht

Von der Lärchenhütte auf dem Kinzigtäler Jakobusweg hinab nach Gengenbach - Abschnitt der Tour "Hindernis mit Aussicht"

Leicht geht es sich, wenn der Lebensweg eben verläuft. Aber was, wenn sich ein Berg entgegenstellt? Unter dem Motto „Hindernis mit Aussicht“ führt eine Spirituelle Wanderung der Reihe GangART mit Georg Magirius auf dem Kinzigtäler Jakobusweg im Schwarzwald von Zell am Harmersbach nach Gengenbach. (Rückblick mit Fotos >>> HIER.) Die 15 Kilometer lange Tour ist Teil des „Kurzpilgerns im Schwarzwald“ vom 12.-15. September 2016. Caroline Huber von Herder Reisen leitet das Kurzpilgern.

Schwarzwaldhäuser in Nordrach - Etappe der Tour "Hindernis mit Aussicht"

Eben und gepflegt

Anfangs geht es an der Schule und Einfamilienhäusern von Zell entlang. Der Weg ist glatt, geteert und überwindet kaum einen Höhenmeter. Selbst wer allein unterwegs wäre, müsste keine Selbstgespräche führen, sondern kann schon bald im Feld dank des Neuhäuser Echos ein ungewöhnliches Gespräch führen. Der zwischen Monolog und Dialog changierende Effekt kann freilich auch unheimlich wirken. Der zivilisierte Stadtwald von Zell beruhigt allerdings gleich wieder, zumal der dort befindlichen Radiumquelle eine kräftigende Wirkung zugesprochen wird. Weiter geht es auf dem Talweg an der plätschernden Nordrach, an wohlgestalteten Gärten, Holzbetrieben und freundlich wirkenden Schwarzwaldhöfen vorbei. Bis man Nordrach erreicht, aufgrund seiner heilsamen Luft auch das badische Davos genannt.

Aufstieg zur Lärchenhütte - Kinzigtäler Jakobusweg bei Nordrach

Steil und wild

Und dann? Der gefällige Charakter der Tour verkehrt sich auf spektakuläre Weise ins Gegenteil. Nicht einmal zwei  Kilometer lang ist er, doch der Pfad hinauf zur Lärchenhütte gehört zu den steilsten Anstiegen des Kinzigtäler Jakobusweges. Jetzt kann man keine großen Schritte mehr tun. Ausblicke? Da ist nur noch Wald. Der Kontakt zum Talgeschehen ist abgebrochen. Um ausreichend Atem zu bekommen, muss man wie in Zeitlupe gehen, sodass sich das Gefühl einstellt, fast alle Kraft sei fort. Dafür kann man den Weg, die Umgebung und sich selbst intensiv spüren. Was wie Einsamkeit wirkt, fühlt sich in demselben Moment wie eine lang vermisste Ruhe an. Man kümmert sich – es geht ja gar nicht anders! – endlich einmal nur um sich. Denn das Hindernis erfordert die ungeteilte Aufmerksamkeit.

Teufeslkanzel am Kinzigtäler Jakobusweg - Station der Tour "Hindernis mit Aussicht"

Gelähmt und erleichtert

Mit einem Mal gewährt der undurchdringlich scheinende Wald einen Blick ins Tal, durch das man eben noch nichtsahnend dahinpromeniert ist. Und man staunt! Mit all den winzigen Schritten, die sich doch wie eine Lähmung anfühlten, hat man also diesen ungeheuren Abstand zwischen sich und dem Tal gelegt? Das da unten wirkt wie eine andere Dimension. Wie ein Vorher, in das man nicht zurück kann, nun auch nicht mehr will. Denn jetzt gehört man zur Spezies des Berggängers, der die Gnade erfährt, über den Berg zu kommen. An der Lärchenhütte lässt sich essen, trinken, rasten. Aber auch wenn der höchste Punkt erreicht ist: Euphorie stellt sich noch nicht ein. Da ist nach wie vor der Wald, kein Gipfeljubel, keine Aussicht. Aber doch Erleichterung: Denn noch einmal wechselt nun der Weg auf entscheidende Weise den Charakter.

Jakobuskapelle oberhalb von Gengenbach - Ziel des Kurzpilgerns auf dem Kinzigtäler Jakobusweges mit Caroline Huber und Georg Magirius

Euphorisch und frei

Es folgt das Glück, durch ein helles, fantastisch ruhiges Waldtal zu gehen – aber was heißt schon gehen. Der Jakobusweg wirkt nun wie eine Gleitbahn, die Schritte muss man nicht setzen, es geht sich wie von selbst allmählich ins Kinzigtal zurück. Aber erst ist da noch die markante Teufelskanzel. Und dann die Jakobuskapelle von Gengenbach, die kurz vor dem Ende beschert, was der bewaldete Gipfel verwehrt: Euphorie. Nun also eröffnet sich das Motto der Tour “Hindernis mit Aussicht”. Inmitten von Weinbergen platziert, schenkt die Kapelle Aussicht ins Kinzigtal, hinab nach Gengenbach, in die Rheinebene und bis zu den Vogesen. Grenzenlose Freiheit ist zu ahnen, die sich ohne das vorherige Hindernis nicht auf solch intensive Weise erleben ließe. Ein Rückblick der Tour mit Fotos ist HIER.

Weinberge bei Gengenbach - Ziel der Tour "Hindernis mit Aussicht" mit Caroline Huber von Herder Reisen

Die Reihe GangART

In der Reihe GangART bietet der Theologe und Schriftsteller Georg Magirius seit 2009 regelmäßig spirituelle Tageswanderungen an. Er hat im Herder Verlag unter dem Lektorat von Dr. Esther Schulz das Buch “Stille erfahren” veröffentlicht.