Abschied
Endlich abhaken?
Viele raten: Endlich abhaken! Nach vorn schauen! Aber immer nur nach vorn zu schauen, kann zu einer Halsstarre führen. Womöglich hilft es umgekehrt, auch einmal das anzuschauen, über das viele sagen: Abhaken! Ein Beitrag von Georg Magirius für den Sonntagsgruß vom 25. März 2012, einer Zeitschrift im Gütersloher Verlagshaus. Die Redaktion hat Monika Hovell.
Der Beitrag “Endlich abhaken?”
Vorwärtskommen – das gilt nicht nur bei der Formel 1 als Tugend. Auch wer nicht im Rennauto sitzt, kann hören: „Gib deinen Standort auf, setze dich in Bewegung und fahre fort, in Zukunft soll es besser werden.“ Wohl deshalb ist in neun von zehn Interviews mit einem Fußballspieler der immergleiche Satz zu hören, wenn es um Niederlagen oder Verletzungen geht. „Das ist jetzt alles abgehakt, wir schauen nach vorn!“ Gelehrt wird dieses Statement vermutlich beim Pressetraining, das ein Fußballprofi heutzutage neben den Einheiten in Kondition, Ballfertigkeit, Taktik und Muskelpflege zu absolvieren hat.
Offenbar lassen sich auch Journalisten selbst in dieser Art von Pressetraining schulen: Eine Woche nach dem Erdbeben und der Reaktorkatastrophe in Japan war eine Moderatorin im Hörfunk auf der Suche danach, ob dieses Ereignis vielleicht nicht auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen könne. Das Erdbeben von Lissabon von 1755 mit seinen fast 100.000 Toten habe tatsächlich ebenfalls positive Effekte gehabt, antwortete ihr ein Volkswirtschafts-Historiker. Beim Wiederaufbau Lissabons seien damals schließlich große Straßen entstanden, außerdem sehr schöne Plätze! Alles sei prachtvoller und erdbebensicherer als zuvor.
Vom Beruf eines Volkswirtschafts-Historikers hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört. Die Empfehlung in die Hände zu spucken und nach vorn zu schauen, die allerdings ist bekannt. Diese Hauruck-Mentalität im Umgang mit Verlusten berührt mich allerdings in einer Region, in der der Widerwille geboren wird. Weiterlesen