Neues Leben, Religion und Poesie

Das Ende der Enge

Jörg Rast oberhalb von Michelstadt

Der Franziskusweg in Michelstadt im Odenwald regt an, „Einfachheit und Bescheidenheit nicht als Einschränkung, sondern als Öffnung der Perspektive zu erfahren“. Das hat Wegbegleiter Jörg Rast während der Recherchen von Georg Magirius für eine Sendung über Franziskus für den Hessischen Rundfunk gesagt, jetzt hier hörbar in der Sendereihe “Camino – Religionen auf dem Weg”. Der Michelstädter Meditationspfad stellt den Sonnengesang vor, mit dem Franz von Assisi überschwänglich die Schöpfung feiert. Allerdings habe, sagt Rast, Franziskus den Text in einer Situation verfasst, die gewöhnlich nicht zum Jubeln führt.

Resumee

Er war krank, hatte ein Augenleiden, hatte auch eine Augenoperation, die offenbar sehr schmerzhaft war, wie überliefert ist. Und war dann wohl schon in dem Stadium und hat trotzdem noch so positiv die Schöpfung gespriesen. Das ist eindrücklich für mich, weil es die Ausrichtung seines Lebensweges zeigt. Es ist fast schon ein Resumee.

Jörg Rast, Franziskusweg Michelstadt, im Hessischen Rundfunk jetzt hören

Von Steinbach nach Rehbach

Der fünf Kilometer lange Weg führt zu zehn Stationen. Dort finden sich auf Tafeln die Worte des 800 Jahre alten Sonnengesangs, der als Weltliteratur gilt. Eine Rahmung erhält der Weg durch die Einhard-Basilika in Steinbach und die Friedhofskapelle in Rehbach. Deren Turm reicht in seinen Ursprüngen bis ins Jahr 1131 zurück. Beide Kirchen sind für Jörg Rast Gebäude, deren Bedeutung im Lauf der Jahre nicht verwittert, sondern zunimmt.

Unvergängliche Gebete

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Lieder und Gebete nicht nur jetzt ausgesprochen sind und dann verschwinden und nicht mehr existieren. Wenn man dann überlegt, was in den Gemäuern an geistigen Werten enthalten ist: das ist ein Geschenk für die Region.

Jörg Rast, Initiative Franziskuswege, in der Sendereihe “Religionen auf dem Weg”

Ohne Schlusspunkt

Die Friedhofskapelle in Rehbach allerdings ist nicht das Ende des Weges. Nur wenige Schritte entfernt, etwas versteckt, ist noch die aus einem alten Backhaus entstandene Elisabethkapelle. Ein im franziskanischen Geist, also bewusst einfach eingerichteter Gebetsraum. Und auch die Kapelle ist nicht der Abschluss. Es geht auf eine Anhöhe hinauf, zur Russeneiche. Das ist der Höhepunkt, der die Idee des Weges pointiert. Die Station, obwohl die letzte, weist über sich hiaus. Und gibt eine Ahnung davon, dass das Ende manchmal wie ein Anfang wirken kann.

Weite

Die Erhebung schenkt den Augen Weite. Es ist das Ende jeder Enge. Fast ringsum lässt sich in die Ferne schauen. Und doch kann man sich dabei verwurzelt fühlen, sogar in den teils ausgehöhlten Stamm der alten Eiche treten. Unter ihr sollen zur Zeit der napoleonischen Kriege russische Soldaten gelagert haben, so kam sie zu ihrem Namen. An diesem Ort, auf diesem Weg, ist Größe zu spüren. Nur muss sie niemand selber produzieren.

Freiheit

Stattdessen habe das Erleben von Größe und Weite mit den Grundgedanken von Franziskus zu tun, sagt Rast, mit Einfachheit und Demut. “Wenn man auf dem Weg über sie nachdenkt, hat man die Möglichkeit, wieder Freiheit zu finden, eine Freiheit auch von wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Zwängen, von Leistungszwängen. Es zeigen sich neue Horizonte. Die Einfachheit ist kein Verlust, sondern im Gegenteil: Man wird reich.”

Das Ende der Enge - Jörg Rast auf dem Franziskusweg Michelstadt - Foto (c) Georg Magirius

Station Russeneiche: Schritte, Jubel, Leichtigkeit und Wind

Leichtigkeit, Jubel und Wind an der Russeneiche

Die Sendung über den Franziskusweg in Michelstadt im Odenwald lässt sich hören und downloaden in der Audiothek der ARD hier.