Biblisches, Religion und Poesie
Jesus aus Liverpool

Warum wird auffällig wenig von Jesus erzählt? Das fragt Ralf Brehmer in seinem aktuellen Buch „Das Christi Himmelfahrt Kommando“. Gemeint sind die Jahre, die in der Bibel übersprungen sind. Baby Jesus kommt ja noch zu Wort beziehungsweise zum Schrei. Aber dann – von einem kurzen Intermezzo abgesehen – ist in der Bibel erst wieder von ihm die Rede, als er 30 ist. So viele Jahre nichts! Vom fehlenden Dazwischen handelt Brehmers Buch.
Frei von Blähungen
Sein Wissen bläht sich nicht mit unzähligen Fußnoten oder einem die eigene Textmenge übersteigenden Literaturverzeichnis auf, wie das bei Theologen durchaus vorkommen kann. Stattdessen zeigt es sich als pointensicheres Erzählen. Es ist ein fast schon rauschartiges Fantasieren, eine faszinierende Fülle an überraschend kombinierten Informationen, Gedanken und Schauplätzen. Der Maschinenschlosser und Sozialpädagoge, der auch als Coach und Redner tätig ist, schreibt mit Sinn fürs Miteinander. Und mit einer Kraft, die das Staunen, Forschen und Fragen als Begabung versteht. Und nicht als kindliche Eigenart, die auf dem Weg ins Erwachsensein als Entwicklungshemmung professionell zu eliminieren ist.

Jesus lacht
Jesus kommt nach Bagdad, reist am Indus entlang, über das Hochland von Tibet. Er ist nicht immerfort zu Fuß, mit dem Boot oder auf einem Esel unterwegs, sondern auch zu Pferd. Außerdem hat er – fast darf man an Karl May denken – stets einen besten Freund dabei, mit dem er die ihm unbekannten Länder bereist. So dringt der Rabbiner und gut ausgebildete Zimmermann aus Nazareth in neue Sprachen, Gerüche und Kulturen ein, vertieft sich in große Weisheitsschriften, darunter sogar „ein Buch mit dem Titel ‚die Axt im Hause erspart den Zimmermann‘, was ihn sehr amüsierte.“
Die Jungs aus Liverpool
Das macht den Weltreisenden Jesus samt seinem Autor sympathisch: Beide nehmen sich nicht zu ernst. Die Geschichte ist mit Humor erzählt, der Jesus allerdings nie lächerlich macht. Er, schickt der Autor seinem Buch voraus, ist ja „der Held meiner Kindheit, zu dem ich nach langem Suchen irgendwie wieder zurückgefunden habe.“ Am Schluss, der freilich einer Eröffnung ähnelt, mündet das Buch in nicht weniger als allem: „All you need is love!“
Was braucht es jetzt?
Klar, dass Jesus “den Jungs aus Liverpool” nicht hätte böse sein können, merkt der Autor an. Genauso wenig wäre er es dem – falls man so sagen darf – Neu-Evangelisten Brehmer, der im Herzen vermutlich noch immer der Junge aus Nauheim ist, ohne dabei jemals stehengeblieben zu sein. Sein Love-Anliegen ist es, dass Geschichte und Geschichten nicht im Gestern bleiben. Sie weisen in den Tag hinein, der gerade erst – oder etwa nicht? – begonnen hat. So fühlt man sich angesprochen. Wenn Jesus zum Beispiel das sprirituelle Fasten kennenlernt, hilft das genauso dem Leser, der sich auf die nächste Etappe seiner Lebensreise einzustellen hat, die das Alte ins Heute transformiert:
Den Geist frei machen von Verlangen und Not, von (Sehn)Süchten und Angst, also wahrer Verzicht und schlussendlich die Frage: “Was ist wirklich wichtig?” “Was braucht es jetzt?“
Ralf A.M. Brehmer, Das Christi Himmelfahrt Kommando