Es ist eine der reizvollsten Fragen überhaupt: Ist das Äußere oder das Innere entscheidend? Davon handelt das Benefizkonzert “Statik und Dynamik der Liebe” der Harfenistin Bettina Linck und des Schriftstellers Georg Magirius am 19. Juni 2015, 19.30 in der Laurentiuskirche in Niedermittlau bei Gelnhausen – auf Einladung der dortigen Evangelischen Kirchengemeinde unter Leitung von Pfarrerin Anne Rudolph. Unterstützt wird die Sanierung der Kirche, zu deren Gesundung sich im Jahr 2005 ein Förderverein gründete, der eindrückliche Antworten zum Verhältnis von Innen und Außen gibt.
Verborgener Löwe
Anlass für die Bildung des Vereins waren Risse in der gerade erst frisch renovierten Kirchendecke, die durch Bewegungen des Dachstuhls verursacht wurden. Das Äußere also gab das Signal: Im Inneren stimmt es nicht. Ein knappes Jahrzehnt, 450 Presseveröffentlichungen und 350.000 Euro Spenden später ist die Laurentiuskirche stabilisiert. Und sie ist ja nicht irgendeine Kirche! Der romanische Turm ist älter als die prachtvollen romanischen Gebäude im nahen Gelnhausen. Zumindest Teile des Turms wurden um 1030 errichtet. Trotz des hohen Alters: Sein Äußeres ist attraktiv. Nicht nur die qualitätsvollen Schildkapitelle der Schallarkaden zeigen lombardische Einflüsse, sondern auch ein vom Kirchendach verdecktes Löwenrelief – was auf die Bedeutung verborgener Werte hindeuten kann. Die sichtbare Gestalt der Kirche wiederum betört, wenn sie als Bild Weiß- und Rotwein, Laurentius-Tee, Gutsje und Kerzen ziert.
Halt und Haltung
Die Laurentiuskirche gilt als Wahrzeichen, als Zeichen der Wahrheit. Die lautet? Wenn das Äußere um Hilfe ruft, soll man sich ums Innere kümmern? So eindeutig ist das nicht. Denn die Risse, die Jahre später schließlich zur Heilung führten, zeigten sich an der Decke. Sie jedoch befindet sich drinnen. Inneres und Äußeres sind offenbar untrennbar verknüpft. Es kommt vermutlich eher aufs Zusammenspiel von beidem an, damit Halt und Haltung stimmen. So widmet sich der Verein zur Erhaltung der Laurentiuskirche nunmehr der Sanierung der Decke im Gotteshaus, dazu der Überarbeitung der Ratzmann-Orgel, die beispielhaft für innerlich-seelische Antriebskräfte stehen kann, nämlich für die Möglichkeiten der Musik.
Bemerkenswerte Risse
Zu alledem passt, dass sich das Benefizkonzert um Statik und Dynamik des menschlichen Miteinanders dreht. Bettina Linck und Georg Magirius erzählen im Kircheninneren biblisch inspirierte Liebesgeschichten, die in einer Zufuhr sommerlicher Getränke im Garten draußen mündet. Wieso nimmt ausgerechnet Jakob, ein weich wirkender Mann, die schönste Frau des Alten Testaments für sich ein? Liegt es an seiner inneren Robustheit? In Marias Inneren dagegen wirkt nichts stark, es herrscht Chaos. Doch sie geht nach draußen, um ihrer Liebestrauer Form zu geben. Auch Saras Leben zeigt Risse. Sieben Ehen gehen zu Bruch, was freilich nicht nur für sie, sondern auch die Männer nicht gerade ermunternd ist. Sie alle sterben in der Hochzeitsnacht.
Heilige Expedition ins Brautgemach
Sara indes geht nicht nach außen, sondern schaut nach innen, was freilich die außerordentlichste Expedition überhaupt sein kann. Sie betet. Die Schuld für ihr nicht gerade glatt zu nennendes Leben will sie sich nämlich nicht in die Schuhe oder ins Brautgemach schieben lassen. „Entweder bin ich ihrer oder sie sind meiner nicht wert gewesen“, überlegt sie im Gespräch mit Gott, da sie die Qualität ihrer Ehemänner Revue passieren lässt: „Und du hast mich vielleicht einem anderen Mann vorbehalten?“
Harfe, Hochzeitsnacht und 7 tote Ehemänner, 19. Juni 2015, 19.30 Laurentiuskirche in 63594 Niedermittlau. Georg Magirius liest aus “Traumhaft schlägt das Herz der Liebe” (mit Abbildungen von Marc Chagall, Lektorat: Heribert Handwerk, Thomas Häußner), Konzertharfe: Bettina Linck, danach sommerliche Getränke im Kirchgarten. © Foto: Helmut Klosterbecker.